Ein Twittertreffen wird ja meist von der Frage begleitet: „Was machst Du denn in [beliebige Stadt einsetzen]? Sagt man da die Wahrheit? Verstehen kann es doch keiner.
„Was, du triffst dich mit wildfremden Menschen? Weißt Du was da alles passieren kann?“
Ehrlich gesagt – ja, weiß ich, denn ich habe nun mein zweites Twittertreffen hinter mir.
Begonnen habe ich letztes Jahr im Sommer, ganz schüchtern mit einer einzigen Person, die ich von Twitter kannte und die mich fragte, ob sie einfach mal in Fulda aussteigen solle, weil sie mit dem Zug durchfahre. Meine erste Reaktion war eher verhalten, dachte ich doch, diese ganze Twittergeschichte sollte doch eher anonym bleiben. Da ich aber eher der Mensch bin, der nach dem „Warum nicht!“-Prinzip handelt, habe ich zugesagt und war mächtig aufgeregt. Wie eigenartig ist es doch, jemanden zu treffen, den man überhaupt nicht kennt und doch mehr von ihr weiß, als von manchem Menschen im direkten Umfeld. Der erste „Aha-Effekt“ geschah schon beim Abholen am Bahnhof. Woran es lag, kann ich gar nicht genau sagen, aber ich habe sie direkt erkannt und da wir beide aufgeregt waren, haben wir diese Phase ziemlich schnell überwinden und eine schöne Stunde in der Eisdiele verbringen können. Damit begann das Vermischen von Netzbekanntschaft zu „echtem Menschen“. Nach diesem ersten Berührungspunkt fand ich es ein wenig eigenartig, weiterhin alle meine abstrusen Gedanken in 140 Zeichen zu stecken und an die Welt zu senden. Denn nun gab es da jemanden, der mich „kannte“. Das war aber schnell wieder vergessen. Die Freude daran, die Personen hinter den Tweets kennenzulernen blieb jedoch.
So kam es, dass ich im November letzten Jahres den Mut fasste und mich mehr oder weniger spontan auf einem „richtigen“ Twittertreffen in Berlin anmeldete. Ich war beruflich gerade in der Stadt und dachte, das nehme ich jetzt mit. Meine Euphorie wich kurz vorher nochmal der Angst vor der eigenen Courage, ich habe es jedoch keine Sekunde bereut. Gab es auf dem Treffen auch nur eine Person, der ich vorher folgte, habe ich dort viele tolle Menschen kennengelernen können. Und wie sollte es anders sein, gefeiert bis es wieder hell wurde. Gehört man zu den letzten, kann man auch nicht mehr so viel verpassen. So genoss ich sogar die Gastfreundschaft von „wildfremden“ Menschen und habe meine Timeline um einige Perlen erweitert. Und als ob mir so ein Twittertreffen nicht reichen könnte, habe ich mich einfach noch mit Personen aus meinem täglichen Lesestoff getroffen, die nicht am Abend zuvor zugegen waren. So durfte ich sogar Familienmitglieder kennenlernen und geschenktes Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Hier hatte ich auch zum ersten Mal dieses eigenartige Gefühl, einen „Star“ zu besuchen. Kannte ich doch zuvor schon Bilder von Familie, Wohnung und Job. Diese Erfahrung ist nur schwer zu beschreiben, wie sich Vorstellung im Kopf und Realität zusammenfügen.
Es hat ein wenig etwas davon, in die Kulisse seines Lieblingsbuches zu steigen.
Ein weiteres Mal hat es mich direkt in eine Stadt verschlagen, in der ich eine alte Bekannte besuchen wollte. Doch damit gab ich mich nicht zufrieden und schrieb gleich noch Twitterer an, die ich gerne mal treffen wollte. Gesagt – getan! So habe ich auch noch überaus bezaubernde Twitter-Haustier-Berühmtheiten kennenlernen dürfen, passende tolle Herrchen, sowie bekannte Twitter-Locations inklusive Inventar.
So war auch das letzte Zögern, zu Twittertreffen zu gehen, beiseite geschoben und ich denke mittlerweile: Wo geht’s als nächstes hin? So habe ich mich bereits zu einem weiteren Treffen in Erfurt angemeldet und letztes Wochenende an einem Treffen in Köln teilgenommen. Dies sollte dann endlich mal eines werden, bei dem ich viele der Teilnehmer regelmäßig lese. Leider ging die Erkältungswelle um und es waren doch wieder weniger, als geplant, aber trotzdem wunderbar! Ich bin immer wieder selbst überrascht, wie man doch das Gefühl hat, diesen Menschen vertrauen zu können, sie irgendwie zu „kennen“ und mit ihnen verbunden zu sein. So habe ich z.B. ohne zu überlegen mein Handy auf meinem Platz liegen lassen, als ich mal ein paar Stühle weiter gerückt bin, ohne Angst zu haben, dass nun Schindluder damit betrieben wird. Außerdem erfreut es, Menschen zu treffen, die dir ähnlich sind, denen Du nicht erklären musst, dass es gar nicht so absurd ist, Gedanken in 140 Zeichen zu verpacken und ins Nirvana abzusenden. Und wie schön ist es doch, dass ein solches Medium wie Twitter Menschen zusammenbringt, die unter anderen Umständen nicht mal ein „Hallo“ miteinander gewechselt hätten.
Bammel vorm ersten Mal? Probiert es aus!
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